Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall Rosenberg

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Gewaltfrei und bedürfnisorientiert kommunizieren

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Die Sonderausgabe WALNUSSblatt Nr. 6 mit Nuria Monas Beitrag kann auch hier als PDF Datei gelesen und heruntergeladen werden:

AUSZUG WALNUSSblatt Nr. 10 – Svenja Herget

Oft fühlen wir uns unverstanden. Und oft verstehen wir andere nicht: Kollegen, Verwandte, ja manchmal sogar den eigenen Partner und die eigenen Kinder! Durch das Bewusstwerden der Gefühle und Bedürfnisse (der eigenen und der des anderen) kann Verbindung gelingen.

Ich hatte vor einigen Jahren eine Jahresausbildung „Gewaltfreie Kommunikation“ gemacht und war daher sensibilisiert für die eigenen Gefühle und Bedürfnisse und dafür, hinter den Äußerungen und Handlungen anderer Menschen deren erfüllte oder unerfüllte Bedürfnisse zu sehen. 

Doch dann lag plötzlich 2020 ein tiefer, scheinbar unüberwindlicher Graben zwischen den Menschen und sogar zwischen vormals guten oder sogar besten Freunden! Auf einmal zählten unsere grundlegendsten Bedürfnisse nichts mehr, wie das Bedürfnis nach Nähe, nach Gemeinschaft und sogar nach der Luft zum Atmen! „Wir müssen solidarisch sein“, hieß die Devise.

„Lebensbereichernde Kommunikation“ oder „Kommunikation des Lebens“ kann man Marshall Rosenbergs Konzept der Gewaltfreien Kommunikation auch nennen. Maschinen, Computer und Roboter kennen keine Gefühle und Bedürfnisse und sie werden diese auch niemals von sich aus generieren können – sie funktionieren einfach. Wir Menschen hingegen sind lebendig. Wir kennen Bedürfnisse wie das Bedürfnis nach Verbindung, Nähe und Gemeinschaft, nach Selbstbestimmung, Freude und Leichtigkeit, nach Bewegung, nach Ruhe und Entspannung, nach Inspiration, nach Zuverlässigkeit, Ordnung, Klarheit usw.

Und wir kennen die grundlegenden Bedürfnisse nach Wärme, Nahrung, Flüssigkeit, Sicherheit – und Luft. Oft wird uns ein Bedürfnis erst dann bewußt, wenn es nicht erfüllt ist: Wer stundenlang am Schreibtisch sitzt, verspürt ein Bedürfnis nach Bewegung. Wenn wir lange nichts gegessen haben, haben wir Hunger. Im Winter spüren wir das Bedürfnis nach Wärme eher als im Sommer. Wenn jemand nicht zum vereinbarten Treffpunkt kommt, dann meldet sich in uns der Wunsch nach Zuverlässigkeit. Wenn wir eine Maske tragen müssen, merken wir, daß wir Luft brauchen.

Erfüllte und unerfüllte Bedürfnisse

Wenn unsere Bedürfnisse erfüllt sind, dann haben wir ein gutes Gefühl. Wir sind froh, entspannt, ruhig, zufrieden, vielleicht sogar neugierig oder inspiriert. Es geht uns gut.

Wenn unsere Bedürfnisse nicht erfüllt sind, dann steigen in uns negative Gefühle hoch. Wir sind unzufrieden, ärgerlich oder sogar wütend, unsicher, verwirrt, traurig, niedergeschlagen, frustriert oder ähnliches.

Negative Gefühle weisen auf unerfüllte Bedürfnisse hin – das ist eine der Kernbotschaften der Gewaltfreien Kommunikation. Ich bin also nicht ärgerlich, weil DU dies oder jenes gemacht hast, wie wir dies im Alltag so oft formulieren: „Ich ärgere mich, weil mein Chef …“, „Ich bin traurig, weil du deine Aufgaben nicht erledigt hast.“, „Ich bin frustriert, weil mein Mann/meine Frau …“

Denn das, was der oder die andere getan hat, ist nur der Auslöser. Wir sind traurig, ärgerlich, frustriert o.ä., weil dadurch eines unserer lebendigen Bedürfnisse nicht erfüllt ist! 

Jeder von uns wird schon einmal erstaunt festgestellt haben, daß eine Handlung eines Menschen bei ihm ganz andere Gefühle auslöst als bei einem anderen. Der eine ist genervt, wenn die Kinder beim Spielen laut sind, den anderen stört das nicht. Der Kollege kommt mit dem Chef gut zurecht, ich aber wünsche mir beispielsweise mehr Freiraum für eigene Kreativität. Wir sind also nicht genervt, weil unsere Kinder laut spielen, sondern weil wir da vielleicht empfindlich sind (ein Kursteilnehmer, der dies beklagte, hatte tatsächlich ein Problem mit den Ohren). Und wenn ich mit diesem Chef nicht so gut zurechtkomme, dann liegt es vielleicht daran, daß ich schon immer ein Freigeist war, während mein Kollege vielleicht froh ist, daß es klare Anweisungen gibt, die er einfach nur zu befolgen braucht.

Auch merken wir, daß manche Dinge uns vielleicht zu dem einen Zeitpunkt stören, zu einem anderen nicht. Da haben wir lange die Fenster nicht geputzt und gar nicht gemerkt, daß sie schmutzig waren und plötzlich stört es uns. Oder wir haben jahrelang gern in der Kantine gegessen und nun haben wir unsere Ernährung umgestellt und möchten gern gesünder essen. Nicht die Kantine ist also schlechter geworden, sondern unsere Bedürfnisse haben sich geändert.

Wahrnehmung/Beobachtung

In der Gewaltfreien Kommunikation lernen wir daher, die äußeren Gegebenheiten und die Handlungen des Anderen möglichst objektiv und neutral darzustellen und nicht zu bewerten. Statt „Du schreist so laut herum“, sagen wir beispielsweise: „Du sprichst in dieser Lautstärke“ (und machen es vor). Statt „Du bist ewig nicht gekommen“ kann man sagen: „Du bist 15 Minuten nach dem vereinbarten Termin gekommen“ – denn manchmal kommen einem schon 5 Minuten ewig vor! Wenn wir z. B. sagen: „Du hast deine Hausaufgaben nicht gescheit gemacht“, drücken wir nicht aus, was es ist, was wir beanstanden. Wir könnten also sagen: „Du hast die Kästchen im Rechenheft nicht eingehalten“ oder was es eben ist, weshalb wir unzufrieden sind. Das mag manchmal mühsam sein – denn oft wissen wir selbst nicht, was uns eigentlich genau stört! Doch gerade das ist es, was die Verbindung und damit auch oft die Beziehung zwischen uns und unserem Gesprächspartner – sei dies der Partner, das eigene Kind, der Kollege oder wer auch immer – oft so schwierig macht.

Wenn ich nun identifiziert habe, was genau in mir ein Gefühl ausgelöst und ein Bedürfnis aktiviert hat, dann kann ich nach innen gehen: Wie fühle ich mich? Und welches Bedürfnis hat sich da gerade gemeldet?

Gefühl

Wer sich damit beschäftigt, merkt, daß es gar nicht so leicht ist, sein eigenes Gefühl zu benennen. Oftmals unterscheiden wir nur zwischen guten und schlechten Gefühlen. Bei den schlechten Gefühlen können wir oft noch zwischen Ärger und Trauer unterscheiden – dabei liegt doch oftmals hinter unserem Ärger auch Trauer!

Es lohnt sich also, hier ein wenig genauer hinzusehen. Ein Kursteilnehmer eines Deutschkurses, in den ich diese Inhalte einflocht, antwortete einmal auf meine Frage, wie er sich gerade fühle: „normal“. Wie fühlt man sich, wenn man sich „normal“ fühlt? Wie fühlt er sich „normalerweise“?

Es gibt auch noch eine Krux, die mit unserer deutschen Sprache zusammenhängt. Wenn wir nämlich den Satz anfangen mit „Ich fühle mich …“, dann sprechen wir zumeist nicht über Gefühle. Wenn wir über unsere Gefühle sprechen, dann verwenden wir im Deutschen das Verb „sein“: Ich bin froh, ich bin angespannt, ich bin aufgeregt, ich bin niedergeschlagen, ärgerlich, traurig usw.

Sätze, die mit „Ich fühle mich …“ beginnen, nennen oft sogenannte Pseudogefühle: Ich fühle mich belogen, betrogen, beschenkt usw. Diese Sätze drücken aus, was wir DENKEN: Ich denke, daß du mich betrügst. Ich denke, daß du mich belogen hast.

So könnte es vorkommen, daß wir bei einem Gespräch denken, wir hätten doch über unsere Gefühle gesprochen. Wir haben doch ständig das Verb „fühlen“ gesagt!

Wenn wir wirklich über unsere Gefühle sprechen, sagen wir also: „Ich bin … (traurig, froh, verärgert, verzweifelt …)“!

Bedürfnis

Nun geht es im Prozeß des Erforschens der Vorgänge in unserem Inneren weiter: Warum bin ich so? Warum habe ich dieses Gefühl?

Gute Gefühle weisen auf erfüllte Bedürfnisse hin.

Negative Gefühle weisen auf unerfüllte Bedürfnisse hin.

Der Chef hat mir einen Blumenstrauß mitgebracht. Ich bin froh, weil mir Wertschätzung wichtig ist.

Meine Tochter hat die Spülmaschine ausgeräumt. Ich freue mich, weil ich Unterstützung brauche.

Mein Sohn hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Ich ärgere mich, weil mir Zuverlässigkeit wichtig ist.

Mein Partner hat nicht gesagt, wann er nach Hause kommt. Ich bin unruhig, weil mir Planbarkeit wichtig ist. Oder Klarheit. Oder …

Wir sagen also nicht: „Ich bin … (Gefühl), weil du … (dies oder jenes gemacht hast).“

Vielmehr sagen wir: „Du hast … (dies oder jenes gemacht). Ich bin … (Gefühl), weil ich … (Bedürfnis) brauche.“

Oder: „Du hast … (dies oder jenes gemacht). Ich bin … (Gefühl), weil mir … (Bedürfnis) wichtig ist.“

Bedürfnisse sind universal. Jeder hat und kennt dieselben Bedürfnisse, wenngleich ihm das eine oder andere Bedürfnis vielleicht grundsätzlich wichtiger ist. Als unser GfK-Trainer von der Universalität der Bedürfnisse sprach und eine Liste von Bedürfnissen zeigte, protestierte eine Teilnehmerin: „Nein, das stimmt nicht! Das Bedürfnis nach Sicherheit zum Beispiel kenne ich nicht! Ich liebe Abenteuer!“ Wahrscheinlich hatte sie in ihrem Leben noch nie eine Situation erlebt, die sie ernsthaft in Gefahr brachte und in der sie um ihre Sicherheit bangen mußte. Und wahrscheinlich war sie jemand, den nichts so leicht aus der Ruhe brachte.

Im Jahr 2020 merkten wir alle, wie wichtig Sicherheit ist. Die einen sahen ihre Gesundheit und ihr Leben in Gefahr, die anderen bekamen Angst vor einem übergriffigen Staat, vor dem ihre Freiheit, ihr Vermögen und vieles mehr nicht mehr sicher sei. 

Ob ein Bedürfnis sich in uns mehr oder weniger schnell und häufig als unerfüllt meldet, hängt mit unserer Geschichte und unserer persönlichen Konstitution zusammen. Gleichzeitig sind uns allen dieselben Bedürfnisse vertraut. Jeder kennt beispielsweise das Bedürfnis nach Ordnung, wenngleich man eine unterschiedliche Vorstellung davon haben mag, wie diese aussieht.

Wenn wir unser Bedürfnis nennen, dann schaffen wir eine Verbindung zu unserem Gesprächspartner. Auch erhöht es unsere Chancen, das zu bekommen, was wir möchten, wenn wir unser Bedürfnis sagen und erst anschließend eine Bitte dazu äußern. Die Mühe lohnt sich also!

Strategie und Bitte

Es ist gar nicht so leicht, unsere Bedürfnisse zu identifizieren. Oft verwechseln wir Bedürfnisse mit Strategien. Wir sagen beispielsweise: „Ich brauche einen Kaffee.“ Doch der Kaffee ist nur eine Strategie, um ein Bedürfnis zu erfüllen. Vielleicht brauchen wir Entspannung und haben es uns zur Gewohnheit gemacht, in diesem Fall einen Kaffee zu trinken. Oder wir brauchen Aufmerksamkeit und Konzentration und hoffen, daß uns der Kaffee wach macht. Oder wir brauchen Ruhe oder Privatsphäre und wir können uns aus einem Meeting oder einer anderen Situation etwas zurückziehen, indem wir den Raum verlassen und uns einen Kaffee holen. Oder wir haben mit anderen gerade angestrengt an etwas gearbeitet und brauchen Gemeinschaft und Freude und erfüllen uns dieses Bedürfnis, indem wir nun ein wenig locker bei einer Tasse Kaffee zusammensitzen, uns etwas erzählen und dabei lachen.

Wir können uns also unser Bedürfnis selbst mit einer Strategie erfüllen (und uns z. B. einen Kaffee kochen, uns zurückziehen o.ä.). Oft kann ich mir ein Bedürfnis aber nicht selbst erfüllen. Dann kann ich eine Bitte an jemanden richten:

„Ich habe heute die Wohnung geputzt, gekocht und mit den Kindern Hausaufgaben gemacht (Wahrnehmung). Jetzt bin ich müde und brauche Ruhe (Gefühl und Bedürfnis). Könntest du bitte eine Stunde mit den Kindern auf den Spielplatz gehen (Bitte)?“ 

oder:

„Wir haben jetzt zwei Stunden intensiv gearbeitet und haben das erste Papier fertig gestellt. Zwei weitere Arbeiten stehen noch an (Wahrnehmung.). Ich bin erschöpft und mir ist Konzentration wichtig (Gefühl und Bedürfnis). Können wir eine halbe Stunde Pause machen? (Bitte)“

Erfüllte Bedürfnisse genießen

Viele Menschen machen Kurse in Gewaltfreier Kommunikation, um Konflikte besser lösen zu können. Doch die Gewaltfreie Kommunikation bietet viel mehr als das: Wir können damit auch mehr genießen, wenn unsere Bedürfnisse erfüllt sind!

Ich bin mit meiner Arbeit gut vorangekommen und freue mich, weil mir Vorwärtskommen wichtig ist.

Ich habe ein interessantes Video gesehen und bin erleichtert, weil mir Klarheit wichtig ist.

Ich komme erschöpft nach Hause und sehe, daß jemand die Küche aufgeräumt und die Spülmaschine ausgeräumt hat. Ich bin erleichtert, weil ich gerade Unterstützung brauche.

Empathie

Wenn wir uns selbst bewußt werden, wie schön es ist, wenn unsere Bedürfnisse erfüllt sind, dann sehen wir auch die Bedürfnisse anderer klarer und können leichter dazu beitragen, diese zu erfüllen. 

Ich habe die Küche nicht aufgeräumt. Meine Partnerin ist unzufrieden. Vielleicht braucht sie Ordnung?

Meine Tochter sitzt über den Mathehausaufgaben und ist sauer. Vielleicht ist ihr Leichtigkeit wichtig?

Mein Sohn wird vom Klassenanführer öfter geärgert und ist niedergeschlagen. Braucht er Zugehörigkeit? Anerkennung? Wertschätzung?

Ich bin gerade viel weg. Mein Partner ärgert sich. Vielleicht braucht er Nähe? Liebe? Verbundenheit? Vertrauen?

Meine Tochter hat sich gerade mit ihren Freundinnen gestritten und sitzt nun frustriert in ihrem Zimmer. Braucht sie Harmonie? Gemeinschaft? Zugehörigkeit?

Mein kleiner Sohn spielt in seinem Zimmer. Als ich ihn zum Aufräumen ermahne, ist er traurig. Vielleicht möchte er noch weiterspielen? (Spielen ein wichtiges Bedürfnis von Kindern)

Wir können nur vermuten, was die anderen brauchen – wir wissen es nicht. So wird das Leben mit unseren Lieben zu einem Ratespiel. Wir werden neugierig:

„Brauchst du …?“

„Ist dir … wichtig?“

Wie oft habe ich es erlebt, daß ich beim Zuhören das Bedürfnis des anderen erraten habe und dieser dann seinen Kopf hob, mich strahlend ansah und ausrief: „Ja!“

„Brauchst du Unterstützung?“ – „Ja!“

„Ist dir Selbstbestimmung wichtig?“
– „Ja!“

„Möchtest du auch einen Beitrag leisten?“ – „Ja!“

„Ist dir Vorwärtskommen wichtig?“
– „Ja!“

„Ist dir wichtig, daß du auch gesehen wirst?“ – „Ja!“

„Gell, du möchtest jetzt noch weiterspielen?“ – „Ja, Mama!“

Hinter dem freudestrahlenden „Ja“ steckt oft dann das dankbare Bewußtsein: Der oder die andere versteht mich! Mama versteht mich! Mein Partner versteht mich! Meine Freundin versteht mich! – Das Ziel der Gewaltfreien Kommunikation ist erreicht: Verbindung.

Wenn ich meinem Gesprächspartner gegenüber empathisch bin, steigt die Wahrscheinlichkeit, daß auch er mich anhören möchte. Wenn ich auch etwas vorbringen möchte, ist nun die Zeit für einen aufrichtigen Selbstausdruck: Meine Wahrnehmung, mein Gefühl, mein Bedürfnis und eine Bitte – das sind die berühmten „4 Schritte“ der Gewaltfreien Kommunikation, wie wir sie bei dem Beispiel mit dem Kaffee schon genannt haben.

So könnte eine Mutter zu ihren Kindern sagen: „Ich war mit euch den ganzen Nachmittag im Schwimmbad. Jetzt bin ich müde und brauche Erholung. Könntet ihr bitte eine halbe Stunde leise in eurem Zimmer spielen?

Ob die Mutter eine Bitte geäußert hat oder ob es doch eher eine Forderung war, merken die Kinder erst, wenn sie der Bitte nicht nachkommen. Sind die Kinder doch laut und die Mama wird ärgerlich oder droht sogar, dann war es keine Bitte, sondern eine Forderung. Eine Bitte zu äußern, heißt nicht, daß sie der oder die Angesprochene auch erfüllen muß! Die Erforschung der Bedürfnisse beginnt von Neuem: Nun braucht die Mama vielleicht Rücksicht. Und die Kinder? Unterstützung? Nahrung? …

Ich werde manchmal gefragt, ob ich auch Kurse für Gewaltfreie Kommunikation für Kinder gebe. Das halte ich nicht für nötig. Wenn wir Erwachsenen – Eltern und Lehrer – auf diese Art und Weise untereinander und mit den Kindern sprechen, dann werden unsere Kinder uns nachahmen. Sie werden von uns einen reichhaltigen Wortschatz über ihre Gefühle und Bedürfnisse lernen und ganz selbstverständlich über diese sprechen. Wie wichtig ist das in einer Zeit, in der unsere Gefühle gering geachtet und unsere Bedürfnisse uns oft verwehrt werden: das Bedürfnis nach Selbstbestimmung, nach Nähe, nach Vertrauen, nach Sicherheit – und sogar das Bedürfnis nach Luft!

Marshall Rosenberg hat oft zwischen verfeindeten Gruppierungen vermittelt: zwischen verfeindeten Stämmen in Afrika, zwischen Israelis und Palästinensern, zwischen verschiedenen Clans, also in den unterschiedlichsten Konflikten. Er sprach auch öfter in Gefängnissen. Einmal sagte ihm nach einem Workshop ein Gefangener: „Wenn ich das gewußt hätte, was ich jetzt weiß, hätte ich meinen besten Freund nicht umbringen müssen.“

Wenn wir Erwachsene die Gefühle und Bedürfnisse unserer Kinder wahrnehmen und mit einer aufrichtigen Haltung über unsere eigenen Gefühle und Bedürfnisse sprechen und konkrete Bitten äußern (ohne den Anspruch, daß mein Gegenüber diese erfüllen muß), dann ist das ein wertvoller Beitrag zum Frieden in der Welt.

Dann kann nach uns eine Generation heranwachsen, die die eigenen Bedürfnisse und die der Anderen anerkennt und respektiert und immer wieder Freude daran empfindet, sie zu erfüllen und damit zum Leben beizutragen.

Autorin:
Svenja Herget

Kontakt und weitere Informationen:
www.homeschooling-wagen.org

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