Hinweis:
Die Sonderausgabe WALNUSSblatt Nr. 2 mit Li Shalimas beiden Artikeln „Wollen wir den Himmel …“ und „Ein blühendes Labyrinth“ kann auch hier als PDF Datei gelesen und heruntergeladen werden:
Schnittstelle zwischen Mensch und unberührter Natur
Dieses begehbare Labyrinth auf der Diersteiner Au in Diez ist ein Projekt von mir, Li Shalima, in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Blühende Lebensräume Diez. Das Feld gehört Herrn Ernfried Groh. Auch er setzt sich für den Erhalt der Artenvielfalt ein. Seit 2019 werden dafür in und um Diez herum immer mehr landwirtschaftliche Flächen als Lebensräume für Insekten, Vögel und Kleintiere freigegeben. Neben den Blühfeldern legt die Arbeitsgemeinschaft auch Hecken an, baut Insektenhotels und stellt Lebenstürme auf. Seit dem sieht und hört man hier wieder die Feldlerche fliegen, kann u.a Neuntöter und sogar Rebhühner beobachten. Es entstehen immer mehr Rückzugsorte für besondere Vogelarten, Kleintiere und heimisches Wild.
Dieses begehbare Labyrinth dient als Schnittstelle zwischen Mensch und unberührter Natur. Denn einmal direkt in so ein großflächig angelegtes Blühfeld hineingehen zu dürfen, das ist ein ganz besonderes Erlebnis für all unsere Sinne. Hier summt und brummt das pralle Leben. Da geht einem das Herz auf. Dazu kommt der wundervolle Kräuterduft und die Farbenpracht der Blüten und Schmetterlinge. Das macht einfach nur Freude. Und genau das war die Intention für dieses Kunstwerk. Es darf die Menschen mit Herz und Seele für das Thema sensibilisieren.
Symbol für Nachhaltigkeit
Das ursprüngliche Labyrinth war kein Irrgarten, sondern, heute würde man vielleicht sagen, ein Symbol für Nachhaltigkeit. Denn es bildet ein Naturgesetz ab. Für mich ist das ursprüngliche Labyrinth ein sehr abstraktes Plädoyer, den Irrgarten zu verlassen und sich wieder an das ELE-MEN-TAR-e Maß der Natur zu erinnern. Aller Guten Dinge sind DREI. Wie Sonne, Mond und Erde?
Denn ist es nicht genau diese Maßlosigkeit, dieser Gigantismus, mit dem wir Menschen uns vom Rest der Welt abtrennen, und mit dem wir das Arten-Aussterben, den Klimawandel und unnatürliche Katastrophen auslösen? Das ursprüngliche Labyrinth kann uns daran erinnern, uns wieder mit den Ursprüngen des Lebens und der Natur zu verbinden, deren Teil wir sind und von der unser Fortbestand abhängt, anstatt uns immer weiter in systemimmanenten Lösungen zu verstricken, zu verirren und zu verwirren.
Mit Sicherheit zur Mitte
Das Labyrinth war ursprünglich kein Irrgarten, sondern genau das Gegenteil. Seine besonderen Windungen mit wechselnden Richtungen führen mit Sicherheit zur Mitte. Es gibt also nichts weiter zu tun, als sich dem Weg anzuvertrauen, die innere Ruhe zu spüren, die Hingabe zuzulassen und den Frieden zu genießen, der sich dabei einstellt. Somit ist dieses blühende Labyrinth nicht nur für Tiere, sondern auch für die Menschen ein Raum der Regeneration. Sein Weg bis zur Mitte ist 500 m lang. Man benötigt jeweils ca. 8 bis 10 Minuten für den Hin-und den Rückweg. Wir bitten die Menschen darum, achtsam auf den Wegen zu bleiben und ihre Hunde angeleint draußen zu lassen. Für dringende Notfälle gibt es aus der Mitte heraus einen Notausgang.
Die ursprüngliche Form des Labyrinths ist weit über 5.000 Jahre alt und steht in engem Zusammenhang zu anderen Symbolen gleichen Ursprungs mit ähnlicher Aussage. Denn auch bei der Scheibe von Nebra, der Labrys (Doppelaxt), dem Mäander, der Matrioschka, der Spirale und dem gleichschenkligen Kreuz im Kreis geht es letztendlich um das immerwährende Leben durch Ausgleich und Balance in der Natur. Sie alle bilden die ewigliche Wiederholung durch Werden und Vergehen ab. Kommen und gehen, geboren werden und sterben, aufgehen und verblühen, sich ausrollen und wieder einrollen, immer gleich und doch nie dasselbe, das Leben als ein permanenter Wandel.
Autorin:
Li Shalima